Samstag, 17. November 2018


Die Berufung des Nathanael als Jünger

Es war ein normaler Wochentag, nichts deutete auf ein außergewöhnliches Ereignis hin. Nathanael saß im Garten, als sein Freund Philippus aufgeregt zu ihm eilte. Er hatte eine große Neuigkeit zu berichten: „Wir haben den gefunden, von dem Mose im Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn aus Nazareth.“ (Johannes 1,45) 
Nathanael zeigte sich nur mäßig interessiert. Sicher, er kannte die Messiasprophezeiungen aus der alten Zeit, die Hoffnungen der Israeliten auf einen Erlöser, den Gott schicken werde: „Und es wird ein Reis hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des Herrn, der Geist der Wahrheit und des Verstandes, der Geist des Rates und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.“ (Jesaja 11,1.2)

Aber warum sollte sich gerade heute - an einem ganz normalen Tag - für Nathanael diese Voraussagung erfüllen? Nathanael konnte das nicht glauben und rührte sich nicht von der Stelle, doch der aufgeregte Philippus ließ nicht locker: „Komm und sieh es!“ (Johannes 1,46b) Also gab er schließlich nach und ging mit seinem Freund mit. Ein bisschen neugierig war er schon, und dann passierte etwas Überraschendes: „Jesus sah Nathanael kommen und sagte von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in dem kein Falsch ist!“ (Johannes 1,47) Woher kannte ihn dieser Rabbi aus Nazareth? 

Jesus antwortete dem verblüfften Mann: „Bevor Philippus dich rief, als du unter dem Feigenbaum warst, sah ich dich!“ (Johannes 1,48b) Für Nathanael war damit klar: er hatte keinen einfachen Prediger, wie es viele andere im Land gab, vor sich. Dieser Rabbi musste über besondere Kräfte verfügen, und die konnte er nur von Gott verliehen haben – so wie die alten Propheten den Messias ankündigten. Voll Ehrfucht sagte Nathanael zu Jesus: „Rabbi, du bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel.“ (Johannes 1,49) So war es für den jungen Mann kein Tag mehr wie die anderen, denn er stand tatsächlich dem verheißenen Messias gegenüber. Ab nun wollte er bei Jesus bleiben und ihm nachfolgen. Jesus nahm ihn in seinen Jüngerkreis auf mit den Worten: „Du glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen.“ (Johannes 1,49)

Nathanael wird dabei sein, wenn Jesus auf seinen Wanderungen in Galiläa Wunder vollbringt, die ihm durch die Vollmacht Gottes, die dieser nur dem Messias verliehen hat, gelingen. Aber das größte Wunder wird er am Ende des irdischen Wirkens von Jesus erleben: die Auferstehung von den Toten nach der Kreuzigung: Was sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist auferstanden. Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in Galiläa war.“ (Lukas 24,5.6) Nach einem ersten ungläubigen Erschrecken der Jünger am Ostermorgen, wie es eben Menschen überkommt, die mit dem Unvorstellbaren plötzlich konfrontiert werden, waren sie überzeugt von der leiblichen Auferstehung des Messias. Und sie begannen voller Eifer die frohe Botschaft vom Christus, der den ewigen Tod überwunden hat, in die Welt hinaus zu tragen.

Weder die Jünger noch die Frauen standen am Grab und erlebten mit, wie der Leichnam Jesu sich wieder mit Leben füllte und die Höhle verließ. Was sie sahen, war das leere Grab und Engel, die ihnen die Auferstehung verkündeten. Trotzdem hatten sie keinen Zweifel an diesem beispiellosen Wunder. Und dementsprechend hatte die Botschaft der urchristlichen Missionare die Auferstehung als Schwerpunkt: „Dass Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift.“ (1 Korintherbrief 15,3.4) Die Heiden im Römischen Reich glaubten ihnen und ließen sich taufen, obwohl ihren polytheistischen Religionen eine Auferstehung von den Toten fremd war.

Aber die Zeiten haben sich geändert, und aus Jesus Christus, dem auferstandenen Herrn, wurde Jesus von Nazareth, der hilfsbereite Mensch – einer von vielen in der Weltgeschichte. Als Religionsgründer führt er mittlerweile ein Schattendasein, und auch als Vorbild für eine ethische Lebensweise ist er nicht hoch im Kurs. Sein Anspruch, Sohn Gottes zu sein, schadet ihm in einer Gesellschaft, die in ihrer Mehrheit nicht mehr an Gott glaubt. Es ist ein trauriger Tatbestand, dass Jesus scheinbar nicht einmal mehr vom Christentum selbst gebraucht wird. Immer mehr westlich-moderne Menschen wollen auch in der Religion nur an das glauben, was man beweisen und sehen kann. Diese Anforderungen kann die Auferstehung Jesu nicht erfüllen, sie widerspricht tatsächlich allen Naturgesetzen und ist nicht beweisbar. Zwar kann man einwenden, dass sich in Jerusalem zu Pfingsten wohl kaum so viele Leute, die 50 Tage vorher zu Passah Jesus am Kreuz haben sterben sehen, hätten taufen lassen, wenn die Jünger nicht so überzeugend die Auferstehung verkündet hätten. Aber nach modernen Kriterien ist ein indirekter Beweis eben auch keine wissenschaftlich-fundierte Methode.

Stellen wir uns die Gegenfrage: was würde denn vom Christentum bleiben, wenn Jesus tot in seinem Höhlengrab liegen geblieben und wie jeder Mensch verwest wäre? Die Antwort gibt uns der Apostel Paulus: „Ist Christus aber nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich, so ist auch euer Glaube vergeblich.“ (1 Korintherbrief 15,14) Dann ist der Tod das Ende allen Seins, und dann ist der Nutzen, den Jesus für uns hat, tatsächlich nur die Rolle als Vorbild in Punkto Nächstenliebe, in Konkurrenz mit zahlreichen anderen engagierten Menschen. 

Die Hoffnung auf das Reich Gottes ist damit auch begraben, denn sie ist untrennbar verknüpft mit Jesus Christus dem auferstandenen Herrn, der auch uns Menschen die Überwindung des Todes zusagt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“ (Johannes 11,25)



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