Die
Berufung des Nathanael als Jünger
Es
war ein normaler Wochentag, nichts deutete auf ein außergewöhnliches
Ereignis hin. Nathanael saß im Garten, als sein Freund Philippus
aufgeregt zu ihm eilte. Er hatte eine große Neuigkeit zu berichten:
„Wir haben den gefunden, von dem Mose im
Gesetz und die Propheten geschrieben haben, Jesus, Josefs Sohn aus
Nazareth.“ (Johannes 1,45)
Nathanael zeigte sich nur mäßig
interessiert. Sicher, er kannte die Messiasprophezeiungen aus der
alten Zeit, die Hoffnungen der Israeliten auf einen Erlöser, den
Gott schicken werde: „Und es wird ein Reis
hervorgehen aus dem Stamm Isais und ein Zweig
aus seiner Wurzel Frucht bringen. Auf ihm wird ruhen der Geist des
Herrn, der Geist der Wahrheit und des Verstandes, der Geist des Rates
und der Stärke, der Geist der Erkenntnis und der Furcht des Herrn.“
(Jesaja 11,1.2)
Aber
warum sollte sich gerade heute - an einem ganz normalen Tag - für
Nathanael diese Voraussagung erfüllen? Nathanael konnte das nicht
glauben und rührte sich nicht von der Stelle, doch der aufgeregte
Philippus ließ nicht locker: „Komm und sieh
es!“ (Johannes 1,46b) Also gab er schließlich nach und ging
mit seinem Freund mit. Ein bisschen neugierig war er schon, und dann
passierte etwas Überraschendes: „Jesus sah
Nathanael kommen und sagte von ihm: Siehe, ein rechter Israelit, in
dem kein Falsch ist!“ (Johannes 1,47) Woher kannte ihn
dieser Rabbi aus Nazareth?
Jesus antwortete dem verblüfften Mann:
„Bevor Philippus dich rief, als du unter dem
Feigenbaum warst, sah ich dich!“ (Johannes 1,48b) Für
Nathanael war damit klar: er hatte keinen einfachen Prediger, wie es
viele andere im Land gab, vor sich. Dieser Rabbi musste über
besondere Kräfte verfügen, und die konnte er nur von Gott verliehen
haben – so wie die alten Propheten den Messias ankündigten. Voll
Ehrfucht sagte Nathanael zu Jesus: „Rabbi, du
bist Gottes Sohn, du bist der König von Israel.“ (Johannes
1,49) So war es für den jungen Mann kein Tag mehr wie die anderen,
denn er stand tatsächlich dem verheißenen Messias gegenüber. Ab
nun wollte er bei Jesus bleiben und ihm nachfolgen. Jesus nahm ihn in
seinen Jüngerkreis auf mit den Worten: „Du
glaubst, weil ich dir gesagt habe, dass ich dich gesehen habe unter
dem Feigenbaum. Du wirst noch Größeres als das sehen.“
(Johannes 1,49)
Nathanael
wird dabei sein, wenn Jesus auf seinen Wanderungen in Galiläa Wunder
vollbringt, die ihm durch die Vollmacht Gottes, die dieser nur dem
Messias verliehen hat, gelingen. Aber das größte Wunder wird er am
Ende des irdischen Wirkens von Jesus erleben: die Auferstehung von
den Toten nach der Kreuzigung: „Was
sucht ihr den Lebenden bei den Toten? Er ist nicht hier, er ist
auferstanden. Gedenkt daran, wie er euch gesagt hat, als er noch in
Galiläa war.“ (Lukas 24,5.6) Nach einem ersten ungläubigen
Erschrecken der Jünger am Ostermorgen, wie es eben Menschen
überkommt, die mit dem Unvorstellbaren plötzlich konfrontiert
werden, waren sie überzeugt von der leiblichen Auferstehung des
Messias. Und sie begannen voller Eifer die frohe Botschaft vom
Christus, der den ewigen Tod überwunden hat, in die Welt hinaus zu
tragen.
Weder
die Jünger noch die Frauen standen am Grab und erlebten mit, wie der
Leichnam Jesu sich wieder mit Leben füllte und die Höhle verließ.
Was sie sahen, war das leere Grab und Engel, die ihnen die
Auferstehung verkündeten. Trotzdem hatten sie keinen Zweifel an
diesem beispiellosen Wunder. Und dementsprechend hatte die Botschaft
der urchristlichen Missionare die Auferstehung als Schwerpunkt: „Dass
Christus gestorben ist für unsere Sünden nach der Schrift; und dass
er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage
nach der Schrift.“ (1 Korintherbrief 15,3.4) Die Heiden im
Römischen Reich glaubten ihnen und ließen sich taufen, obwohl ihren
polytheistischen Religionen eine Auferstehung von den Toten fremd
war.
Aber
die Zeiten haben sich geändert, und aus Jesus Christus, dem
auferstandenen Herrn, wurde Jesus von Nazareth, der hilfsbereite Mensch – einer von vielen in der Weltgeschichte. Als
Religionsgründer führt er mittlerweile ein Schattendasein, und auch
als Vorbild für eine ethische Lebensweise ist er nicht hoch im Kurs.
Sein Anspruch, Sohn Gottes zu sein, schadet ihm in einer
Gesellschaft, die in ihrer Mehrheit nicht mehr an Gott glaubt. Es ist
ein trauriger Tatbestand, dass Jesus scheinbar nicht einmal mehr vom
Christentum selbst gebraucht wird. Immer mehr westlich-moderne
Menschen wollen auch in der Religion nur an das glauben, was man
beweisen und sehen kann. Diese Anforderungen kann die Auferstehung
Jesu nicht erfüllen, sie widerspricht tatsächlich allen
Naturgesetzen und ist nicht beweisbar. Zwar kann man einwenden, dass
sich in Jerusalem zu Pfingsten wohl kaum so viele Leute, die 50 Tage
vorher zu Passah Jesus am Kreuz haben sterben sehen, hätten taufen
lassen, wenn die Jünger nicht so überzeugend die Auferstehung
verkündet hätten. Aber nach modernen Kriterien ist ein indirekter
Beweis eben auch keine wissenschaftlich-fundierte Methode.
Stellen
wir uns die Gegenfrage: was würde denn vom Christentum bleiben, wenn
Jesus tot in seinem Höhlengrab liegen geblieben und wie jeder Mensch
verwest wäre? Die Antwort gibt uns der Apostel Paulus: „Ist
Christus aber nicht auferstanden, so ist unsere Predigt vergeblich,
so ist auch euer Glaube vergeblich.“ (1 Korintherbrief
15,14) Dann ist der Tod das Ende allen Seins, und dann ist der
Nutzen, den Jesus für uns hat, tatsächlich nur die Rolle als
Vorbild in Punkto Nächstenliebe, in Konkurrenz mit zahlreichen
anderen engagierten Menschen.
Die Hoffnung auf das Reich Gottes
ist damit auch begraben, denn sie ist untrennbar verknüpft mit Jesus
Christus dem auferstandenen Herrn, der auch uns Menschen die
Überwindung des Todes zusagt: „Ich bin die
Auferstehung und das Leben.
Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“
(Johannes 11,25)
Ein sehr guter Beitrag! Sehr spannend und mit ganz neuen Aspekten :D
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