Kain
und Abel im Königspalast
König
David blickte stolz auf seine große Familie, sein Haus war bestellt.
Entsprechend der Sitte der Zeit hatte er acht Hauptfrauen, die ihm
sieben Söhne geboren hatten. David war nicht nur als Vater glücklich
über den reichen Segen an männlichem Nachwuchs, sondern auch als
Monarch. Mit sieben erwachsenen Söhnen schien ihm die Thronfolge in
einer Epoche der hohen Kindersterblichkeit abgesichert. Amnon, Kilab,
Absalom, Adonija, Schafatja, Jitream und Salomo waren das ganze Glück
des Herrschers.
Doch während David zufrieden mit seiner häuslichen
Situation war, traf das nicht auf seine Kinder zu. Und als der
Konflikt unter den Brüdern mit voller Wucht ausbrach, schaffte es
der Vater nicht, ihn zu schlichten.
Das
Unheil nahm seinen Lauf, als sich der älteste Sohn Amnon, der schon
als Thronfolger galt, an seiner Halbschwester Tamar sexuell verging.
Unter dem Vorwand bettlägrig zu sein und ihrer Krankenspeise zu
bedürfen, lockte er das junge Mädchen in seine Kammer und
vergewaltigte sie. Danach warf er sie achtlos aus seinem Zimmer.
Eigentlich wäre es nun an David gewesen, seinen Sohn Amnon zur
Verantwortung zu ziehen und den Familienfrieden wieder herzustellen.
Doch es kam anders: „Und als der König David
dies alles hörte, wurde er sehr zornig. Aber er tat seinem Sohn
Amnon nichts zuleide, denn er liebte ihn, weil er sein Erstgeborener
war.“ (2 Samuel 13,21) Liebe bedeutet aber nicht, eine Untat
einfach hinzunehmen. Wenn es Liebe nur für jene gäbe, die perfekt
sind und nie etwas Falsches machen, dann würde es kalt sein in der
Welt: denn niemand schafft es, immer richtig zu handeln.
Vom
Vater im Sich gelassen beschloss also Absalom, Tamars Bruder (ihre
gemeinsame Mutter war Maacha), die Sache selbst in die Hand zu nehmen,
und er schwor seinem Bruder Rache. Geduldig ging er ans Werk. Zwei
Jahre später lud er alle seine Brüder zu einem Festmahl anlässlich
der Schafschur ein. Auch Amnon kam. Er glaubte, dass sein Halbbruder
ihm inzwischen verziehen hatte, obwohl ein klärendes und
versöhnliches Gespräch zwischen ihnen nicht stattgefunden hatte.
Denn Amnon hatte unverändert keine Schuldeinsicht und Absalom keine
Vergebungsbereitschaft. Als Amnon merkte, dass er die Situation
falsch einschätzte, war es zu spät: „Absalom
aber gebot seinen Leuten: Seht darauf, wenn Amnon guter Dinge wird
vom Wein und ich zu euch spreche: Schlagt Amnon nieder! So sollt ihr
ihn töten. Fürchtet euch nicht, denn ich hab‘s euch geboten; seid
nur getrost und geht tapfer dran.“ (2 Samuel 13,28) Und
während die blutüberströmte Leiche des Thronfolgers zu Absaloms
Füßen lag, ergriffen die anderen Brüder die Flucht und gelangten
unbehelligt zum Vater zurück. Konsequenzen gab es auch jetzt für
diese neuerliche, ruchlose Tat keine: „Und der
König David hörte auf, Absalom zu grollen; denn er hatte sich
getröstet über Amnon, dass er tot war.“ (2 Samuel 13,39)
Damit
konnte die Familientragödie nicht zu einem Ende kommen, denn den Aggressionen wurde nicht durch eine Versöhnung Einhalt geboten. So erlosch der
Hass in Absaloms Herzen auf seinen Vater, der nicht für Frieden und
Eintracht in der Familie gesorgt hatte, nicht. Der
junge Prinz stellte nunmehr ein Heer auf und wollte sogar den König
stürzen. Doch hatte dieser mit Joab den fähigeren Feldherrn, und
Absaloms Krieger wurden vernichtend geschlagen. Den hasserfüllten
Aufstand gegen den Vater bezahlte der Sohn mit dem Leben. Seine
Eitelkeit wurde ihm zum Verhängnis, der junge Mann war stets
besonders stolz auf seine lange Haarpracht gewesen. Nach der
Niederlage im Feld floh er vor den königlichen Kämpfern: „Und
als sein Maultier unter eine große Eiche mit dichten Zweigen kam,
blieben seine Haare an der Eiche hängen, und er schwebte zwischen
Himmel und Erde; denn sein Maultier lief unter ihm weg.“ (2
Samuel 18,9) Davids General Joab machte kurzen Prozess: „Da
nahm Joab drei Stäbe in seine Hand und stieß sie Absalom ins Herz,
als er noch lebend
an der Eiche hing.“ (2 Samuel 18,14) Noch mehr Blut, noch
mehr Vergeltung, noch mehr Leid .
Es
wurde einsam im Palast. Es blieben David zwei Söhne übrig (wobei
man nicht erfährt, was aus Kilab, Schafatja und Jitream geworden
ist, wahrscheinlich sind sie unspektakulär gestorben): der ältere
von beiden war Adonija aus der Ehe mit Haggit, und der jüngere war
Salomon aus der umstrittenen Heirat mit Bathseba. Doch es blieb David
erspart, den letzten Mord in seiner Familie miterleben zu müssen.
Salomon wollte unbedingt den Thron besteigen, sah aber in dem vor ihm
geborenen Adonija einen aussichtsreichen Mitbewerber. Was unternimmt
man also in so einer Situation? Salomo machte es sich einfach: er
ließ den Bruder ermorden: „Und der König
Salomo sandte hin Benaja, den Sohn des Jojadas, der stieß Adonija
nieder, dass er starb.“ (1 Könige 2,25)
Kain
und Abel im Königspalast. So wie beim ersten Brüderpaar floss auch
bei Davids Söhnen Blut aus Eifersucht, Konkurrenzneid und Rachsucht.
Glück und Freude hat es keinem gebracht.
Es hätte auch einen
anderen Weg für die Prinzen gegeben, wie der Verfasser des 1.
Johannesbriefes schreibt: „Denn das ist die
Botschaft, die ihr gehört habt von Anfang an, dass wir uns
untereinander lieben sollen, nicht wie Kain,
der von dem Bösen stammte und seinen Bruder umbrachte. Und warum
brachte er ihn um? Weil seine Werke böse waren und die seines
Bruders gerecht.“ (1 Johannesbrief 3,11.12) Das Böse, das
hier gemeint ist, sind der Neid und die Eifersucht, die Kains Denken
vergifteten, weil dem Abel seine Opfergabe besser gelungen war als ihm.
Aber anstatt seine Fehler zu überdenken und daraus zu lernen und den
Bruder zu loben, schaffte er sich die Konkurrenz vom Hals und
glaubte, nun der Beste zu sein. Gott versuchte Kain, der nach Abels
Erfolg bei der Opferung ergrimmt und finster den Blick nach unten
senkte, zu beruhigen: „Wenn du fromm bist, so
kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert
die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber
herrsche über sie.“ (1 Mose 4,7) Kain aber erliegt der
Sünde, geht hin und erschlägt den Bruder aus Neid und Zorn.
Was für
ein glückliches Gefühl hätte Kain empfinden können, wenn er auf
das Wort Gottes gehört hätte: „Sieh,
wie fein und lieblich ist‘s, wenn Brüder einträchtig beieinander
wohnen! Es ist das feine Salböl auf dem Haupte Aarons, das
herabfließt zum Saum seines Kleides, wie der Tau, der vom Hermon
herabfällt auf die Berge Zions.“ (Psalm 133,1-3)
Nun
könnte man für Absalom Verständnis aufbringen und entrüstet
einwenden: warum ist Amnon nicht reuevoll zu Tamar und Absalom
gegangen und hat sie um Verzeihung gebeten? Sicher, das wäre die
eine Möglichkeit gewesen, den Konflikt beizulegen, und sollte auch
die erste Wahl sein. Aber was macht man, wenn derjenige, der die
Untat begangen hat, nicht kommt? Hat man dann das Recht auf
Vergeltung?
Jesus
sagt ‚nein‘ und zeigt uns einen anderen Weg auf, der zu einer
liebevollen Gesellschaft führen kann, in der sich jeder wohl fühlt:
„Ein neues Gebot
gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch
geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt.“ (Johannes
13,34) Es ist eine selbstlose Liebe, die Jesus uns Menschen
entgegenbringt. Als er unschuldig verurteilt am Kreuz hing, betete er
noch: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen
nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34)
Jesus hat die
Vergebungsbereitschaft immer in das Zentrum seiner Predigten gestellt
und danach gelebt. Nie hat er einen reuigen Sünder zurückgewiesen.
Aber Jesus ist noch einen Schritt weiter gegangen: oft hat er von
sich aus die Initiative ergriffen und ist ohne Aufforderung auf einen
Menschen zugegangen, der Böses getan hatte. Dadurch hat er in diesem
die Liebe geweckt und ihn zum Guten bekehrt. Diese Einstellung
verlangt Jesus auch von uns Christen. Wir sollen nicht nur darauf
warten, bis wir für eine Missetat um Verzeihung gebeten werden,
sondern wir sollen von uns aus zu dem hingehen, der uns verletzt hat,
und die Versöhnung anbieten. Wäre Absalom zu seinem Bruder Amnon
gegangen und hätte sich mit ihm trotz seiner sündhaften Tat in
versöhnlicher Weise ausgesprochen anstatt ihn zu töten, wäre der Familie viel Leid und
Kummer erspart geblieben.
Der
Apostel Paulus erklärt in seinem Brief an die Korinther, was Liebe
für Christen bedeutet: „Die Liebe ist
langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt
nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht
ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht
erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.“ (1 Korinther
13,4.5)
Es ist oft schwer zu vergeben, darüber ist sich Jesus auch im Klaren - aber da es
die Menschen glücklicher und zufriedener macht als Hass und Gewalt, sollte man es
auf jeden Fall versuchen.
Ein toller Blog! Es war sehr spannend ihn zu lesen, und die Geschichte mit Davis Söhnen war interessant!
AntwortenLöschenDer Beitrag hatte alles, Jesus, Paulus, Spannung und eine Botschaft! :D