Samstag, 1. Dezember 2018


Kain und Abel im Königspalast

König David blickte stolz auf seine große Familie, sein Haus war bestellt. Entsprechend der Sitte der Zeit hatte er acht Hauptfrauen, die ihm sieben Söhne geboren hatten. David war nicht nur als Vater glücklich über den reichen Segen an männlichem Nachwuchs, sondern auch als Monarch. Mit sieben erwachsenen Söhnen schien ihm die Thronfolge in einer Epoche der hohen Kindersterblichkeit abgesichert. Amnon, Kilab, Absalom, Adonija, Schafatja, Jitream und Salomo waren das ganze Glück des Herrschers. 
Doch während David zufrieden mit seiner häuslichen Situation war, traf das nicht auf seine Kinder zu. Und als der Konflikt unter den Brüdern mit voller Wucht ausbrach, schaffte es der Vater nicht, ihn zu schlichten.

Das Unheil nahm seinen Lauf, als sich der älteste Sohn Amnon, der schon als Thronfolger galt, an seiner Halbschwester Tamar sexuell verging. Unter dem Vorwand bettlägrig zu sein und ihrer Krankenspeise zu bedürfen, lockte er das junge Mädchen in seine Kammer und vergewaltigte sie. Danach warf er sie achtlos aus seinem Zimmer. Eigentlich wäre es nun an David gewesen, seinen Sohn Amnon zur Verantwortung zu ziehen und den Familienfrieden wieder herzustellen. Doch es kam anders: „Und als der König David dies alles hörte, wurde er sehr zornig. Aber er tat seinem Sohn Amnon nichts zuleide, denn er liebte ihn, weil er sein Erstgeborener war.“ (2 Samuel 13,21) Liebe bedeutet aber nicht, eine Untat einfach hinzunehmen. Wenn es Liebe nur für jene gäbe, die perfekt sind und nie etwas Falsches machen, dann würde es kalt sein in der Welt: denn niemand schafft es, immer richtig zu handeln.

Vom Vater im Sich gelassen beschloss also Absalom, Tamars Bruder (ihre gemeinsame Mutter war Maacha), die Sache selbst in die Hand zu nehmen, und er schwor seinem Bruder Rache. Geduldig ging er ans Werk. Zwei Jahre später lud er alle seine Brüder zu einem Festmahl anlässlich der Schafschur ein. Auch Amnon kam. Er glaubte, dass sein Halbbruder ihm inzwischen verziehen hatte, obwohl ein klärendes und versöhnliches Gespräch zwischen ihnen nicht stattgefunden hatte. Denn Amnon hatte unverändert keine Schuldeinsicht und Absalom keine Vergebungsbereitschaft. Als Amnon merkte, dass er die Situation falsch einschätzte, war es zu spät: „Absalom aber gebot seinen Leuten: Seht darauf, wenn Amnon guter Dinge wird vom Wein und ich zu euch spreche: Schlagt Amnon nieder! So sollt ihr ihn töten. Fürchtet euch nicht, denn ich hab‘s euch geboten; seid nur getrost und geht tapfer dran.“ (2 Samuel 13,28) Und während die blutüberströmte Leiche des Thronfolgers zu Absaloms Füßen lag, ergriffen die anderen Brüder die Flucht und gelangten unbehelligt zum Vater zurück. Konsequenzen gab es auch jetzt für diese neuerliche, ruchlose Tat keine: „Und der König David hörte auf, Absalom zu grollen; denn er hatte sich getröstet über Amnon, dass er tot war.“ (2 Samuel 13,39)

Damit konnte die Familientragödie nicht zu einem Ende kommen, denn den Aggressionen wurde nicht durch eine Versöhnung Einhalt geboten. So erlosch der Hass in Absaloms Herzen auf seinen Vater, der nicht für Frieden und Eintracht in der Familie gesorgt hatte, nicht. Der junge Prinz stellte nunmehr ein Heer auf und wollte sogar den König stürzen. Doch hatte dieser mit Joab den fähigeren Feldherrn, und Absaloms Krieger wurden vernichtend geschlagen. Den hasserfüllten Aufstand gegen den Vater bezahlte der Sohn mit dem Leben. Seine Eitelkeit wurde ihm zum Verhängnis, der junge Mann war stets besonders stolz auf seine lange Haarpracht gewesen. Nach der Niederlage im Feld floh er vor den königlichen Kämpfern: „Und als sein Maultier unter eine große Eiche mit dichten Zweigen kam, blieben seine Haare an der Eiche hängen, und er schwebte zwischen Himmel und Erde; denn sein Maultier lief unter ihm weg.“ (2 Samuel 18,9) Davids General Joab machte kurzen Prozess: „Da nahm Joab drei Stäbe in seine Hand und stieß sie Absalom ins Herz, als er noch lebend an der Eiche hing.“ (2 Samuel 18,14) Noch mehr Blut, noch mehr Vergeltung, noch mehr Leid .

Es wurde einsam im Palast. Es blieben David zwei Söhne übrig (wobei man nicht erfährt, was aus Kilab, Schafatja und Jitream geworden ist, wahrscheinlich sind sie unspektakulär gestorben): der ältere von beiden war Adonija aus der Ehe mit Haggit, und der jüngere war Salomon aus der umstrittenen Heirat mit Bathseba. Doch es blieb David erspart, den letzten Mord in seiner Familie miterleben zu müssen. Salomon wollte unbedingt den Thron besteigen, sah aber in dem vor ihm geborenen Adonija einen aussichtsreichen Mitbewerber. Was unternimmt man also in so einer Situation? Salomo machte es sich einfach: er ließ den Bruder ermorden: „Und der König Salomo sandte hin Benaja, den Sohn des Jojadas, der stieß Adonija nieder, dass er starb.“ (1 Könige 2,25)

Kain und Abel im Königspalast. So wie beim ersten Brüderpaar floss auch bei Davids Söhnen Blut aus Eifersucht, Konkurrenzneid und Rachsucht. Glück und Freude hat es keinem gebracht. 

Es hätte auch einen anderen Weg für die Prinzen gegeben, wie der Verfasser des 1. Johannesbriefes schreibt: „Denn das ist die Botschaft, die ihr gehört habt von Anfang an, dass wir uns untereinander lieben sollen, nicht wie Kain, der von dem Bösen stammte und seinen Bruder umbrachte. Und warum brachte er ihn um? Weil seine Werke böse waren und die seines Bruders gerecht.“ (1 Johannesbrief 3,11.12) Das Böse, das hier gemeint ist, sind der Neid und die Eifersucht, die Kains Denken vergifteten, weil dem Abel seine Opfergabe besser gelungen war als ihm. Aber anstatt seine Fehler zu überdenken und daraus zu lernen und den Bruder zu loben, schaffte er sich die Konkurrenz vom Hals und glaubte, nun der Beste zu sein. Gott versuchte Kain, der nach Abels Erfolg bei der Opferung ergrimmt und finster den Blick nach unten senkte, zu beruhigen: „Wenn du fromm bist, so kannst du frei den Blick erheben. Bist du aber nicht fromm, so lauert die Sünde vor der Tür, und nach dir hat sie Verlangen; du aber herrsche über sie.“ (1 Mose 4,7) Kain aber erliegt der Sünde, geht hin und erschlägt den Bruder aus Neid und Zorn. 

Was für ein glückliches Gefühl hätte Kain empfinden können, wenn er auf das Wort Gottes gehört hätte: Sieh, wie fein und lieblich ist‘s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen! Es ist das feine Salböl auf dem Haupte Aarons, das herabfließt zum Saum seines Kleides, wie der Tau, der vom Hermon herabfällt auf die Berge Zions.“ (Psalm 133,1-3)

Nun könnte man für Absalom Verständnis aufbringen und entrüstet einwenden: warum ist Amnon nicht reuevoll zu Tamar und Absalom gegangen und hat sie um Verzeihung gebeten? Sicher, das wäre die eine Möglichkeit gewesen, den Konflikt beizulegen, und sollte auch die erste Wahl sein. Aber was macht man, wenn derjenige, der die Untat begangen hat, nicht kommt? Hat man dann das Recht auf Vergeltung?

Jesus sagt ‚nein‘ und zeigt uns einen anderen Weg auf, der zu einer liebevollen Gesellschaft führen kann, in der sich jeder wohl fühlt: Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt.“ (Johannes 13,34) Es ist eine selbstlose Liebe, die Jesus uns Menschen entgegenbringt. Als er unschuldig verurteilt am Kreuz hing, betete er noch: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lukas 23,34) 
Jesus hat die Vergebungsbereitschaft immer in das Zentrum seiner Predigten gestellt und danach gelebt. Nie hat er einen reuigen Sünder zurückgewiesen. Aber Jesus ist noch einen Schritt weiter gegangen: oft hat er von sich aus die Initiative ergriffen und ist ohne Aufforderung auf einen Menschen zugegangen, der Böses getan hatte. Dadurch hat er in diesem die Liebe geweckt und ihn zum Guten bekehrt. Diese Einstellung verlangt Jesus auch von uns Christen. Wir sollen nicht nur darauf warten, bis wir für eine Missetat um Verzeihung gebeten werden, sondern wir sollen von uns aus zu dem hingehen, der uns verletzt hat, und die Versöhnung anbieten. Wäre Absalom zu seinem Bruder Amnon gegangen und hätte sich mit ihm trotz seiner sündhaften Tat in versöhnlicher Weise ausgesprochen anstatt ihn zu töten, wäre der Familie viel Leid und Kummer erspart geblieben.

Der Apostel Paulus erklärt in seinem Brief an die Korinther, was Liebe für Christen bedeutet: „Die Liebe ist langmütig und freundlich, die Liebe eifert nicht, die Liebe treibt nicht Mutwillen, sie bläht sich nicht auf, sie verhält sich nicht ungehörig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet das Böse nicht zu.“ (1 Korinther 13,4.5) 

Es ist oft schwer zu vergeben, darüber ist sich Jesus auch im Klaren - aber da es die Menschen glücklicher und zufriedener macht als Hass und Gewalt, sollte man es auf jeden Fall versuchen.

1 Kommentar:

  1. Ein toller Blog! Es war sehr spannend ihn zu lesen, und die Geschichte mit Davis Söhnen war interessant!
    Der Beitrag hatte alles, Jesus, Paulus, Spannung und eine Botschaft! :D

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