Der
Jüngling zu Nain
Eines
Tages kam Jesus mit seinen Jüngern in die Stadt Nain. Ihnen folgten
zahlreiche Anhänger. „Als er aber nahe an
das Stadttor kam, siehe, da trug man einen Toten heraus, der der
einzige Sohn seiner Mutter war, und sie war Witwe; und eine große
Menge aus der Stadt
ging mit ihr.“ (Lukas 7,12)
Für
die Frau war der Verlust ihres einzigen Kindes ein doppelt schwerer
Schicksalsschlag. Erstens war es der große Schmerz einer Mutter,
ihren Sohn beerdigen zu müssen. Für Eltern gibt es kein größeres
Leid. Und zweitens stand sie nun vor dem existenziellen Nichts. Denn
Witwen erbten von ihren verstorbenen Männern nichts und waren in
ihrem Alltagsleben von der Versorgung durch ihre Söhne abhängig.
Vor dieser Frau, die nun keinen Sohn mehr hatte, lag ein Leben in
Einsamkeit und Not.
Jesus
sah den Leichenzug, blieb stehen und erkannte gleich das Problem
dieser weinenden Mutter: „Und als sie der
Herr sah, jammerte sie ihn, und er sprach zu ihr: Weine nicht!“
(Lukas 7,13) Jesus fand aber nicht nur tröstende Worte: „Und
Jesus trat hinzu und berührte den Sarg, und die Träger blieben
stehen. Und er sprach: Jüngling, ich sage dir, steh auf! Und der
Tote richtete sich auf und fing an zu reden. Und Jesus gab ihn seiner
Mutter.“ (Lukas 7,14.15)
Der
Vorfall erregte großes Aufsehen. Wer war dieser Rabbi, der einen
Toten wieder ins Leben zurückholen konnte? „Und
Furcht ergriff sie alle, und sie priesen Gott und sprachen: Es ist
ein großer Prophet unter uns aufgestanden, und: Gott hat sein Volk
besucht. Und diese Kunde von ihm
erscholl im ganzen umliegenden Land und auch in ganz Judäa.“
(Lukas 7,16.17) So konnte es nicht ausbleiben, dass das Ereignis auch
den Pharisäern und Schriftgelehrten zu Ohren kam. Sie teilten –
wenig überraschend - die Begeisterung des Volkes nicht und
verweigerten Jesus weiterhin die Anerkennung als den von Gott
gesandten Messias.
Aber auch ein anderer blieb skeptisch: Johannes
der Täufer. Dessen Jünger waren mit den Neuigkeiten aus Nain zu ihm
gekommen und hatten ihm von dem Wunder berichtet. Der Täufer
reagierte mit Zurückhaltung. Er rief zwei seiner Jünger zu sich und
„sandte sie zu Jesus und ließ ihn fragen:
Bist du, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen
warten?“ (Lukas 7,19)
Jesus
hörte sich die Anfrage des Johannes an und schickte die beiden
Männer rmit folgender Botschaft zum Täufer zurück: „Geht
und verkündet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde
sehen, Lahme gehen, Aussätzige werden rein, Taube hören, Tote
stehen auf, Armen wird das Evangelium gepredigt.“ (Lukas
7,22) Das, was Jesus hier in seiner Antwort zusammenfasst, ist nichts
weniger als ein revolutionäres, neues Gesellschaftsmodell: in einer
christlichen Gemeinschaft gibt es keine Randgruppen mehr, keine wegen
einer Krankheit oder aus Geldmangel Ausgegrenzten. Jesus wusste, dass
sein Ideal von einer Gemeinschaft, in der alle gleich viel wert sind,
bei jenen, die sich wegen einer höheren gesellschaftlichen Stellung
überlegen fühlen, nicht so gut ankommt. Deshalb fügte Jesus hinzu:
„Und selig ist, wer sich nicht ärgert an
mir.“ (Lukas 7,23)
Diese
Worte sind auch an uns gerichtet. Wir müssen Jesus so akzeptieren,
wie wir ihn in den Evangelien kennenlernen: als den von Gott gesandten
Messias, der mit göttlicher Hilfe Wunder vollbringt, um sozial
Geächteten die Wiedereingliederung in die Gesellschaft zu
ermöglichen. Die Botschaft ist klar: vor Gott sind alle Menschen
gleich viel wert und sollen auch von ihren Mitmenschen so behandelt
werden. Und Jesus hofft, dass wir seinem Vorbild nacheifern.
Nun
können wir es natürlich nicht so machen wie Jesus, denn wir
verfügen nicht über die Fähigkeiten, Wunderheilungen zu
vollbringen. Doch haben wir auf andere Weise die Möglichkeit, das
Gesellschaftsmodell von Jesus umzusetzen: indem wir Mitmenschen, die
wegen einer Krankheit, einer Behinderung oder existenzieller Notlage
in Gefahr geraten, aus der Gemeinschaft herauszufallen, auffangen.
Aber nicht durch mitleidige Almosen, sondern durch Nächstenliebe und
das Verständnis, dass manche Menschen besondere Rücksichtnahme
brauchen. So wie es uns der Apostel Paulus mit auf den Weg gibt: „Ein
jeder sei gesinnt, wie Jesus Christus auch war.“
(Philipperbrief 2,5)
Eine wundervolle Botschaft, die uns Jesus mitteilt und du uns wieder gegeben hast! :)
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