„Denn
wie der Leib einer ist und
doch viele Glieder hat,
alle
Glieder des Leibes aber,
obwohl sie viele sind,
doch ein Leib sind.
Denn
wir sind durch einen Geist
alle zu einem Leib getauft.“
(1
Korinther 12,12.13a)
Martin
Luther nahm die Nachfolge Jesu Christi sehr ernst. Er kannte die
Bibelstelle, in der Jesus die unbedingte Bereitschaft dazu forderte:
„Jesus sprach: Wahrlich, ich sage
euch: Es ist niemand, der Haus oder Brüder oder
Schwestern oder Mutter oder Vater oder Kinder oder Äcker verlässt
um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der nicht hundertfach
empfange: jetzt in dieser Zeit mitten unter Verfolgungen und in der
zukünftigen Welt das ewige Leben.“ (Markus 10,29.30)
Obwohl
der junge Student eine glänzende Karriere vor sich hatte, gab er um
der Nachfolge willen alles auf und wählte das verzichtreiche Dasein
im Kloster. Zurück ließ Martin einen tobenden Vater und eine
Mutter, die mit ihm nichts mehr zu tun haben wollte. Zurück ließ er
auch ein Jusstudium, das ihm den sozialen Aufstieg ermöglicht hätte.
In
dem Bewusstsein, den einzig richtigen Weg der Nachfolge beschritten
zu haben, bemühte sich der junge Mönch zudem, die Klosterregeln
besonders genau einzuhalten. Marin Luther war felsenfest davon
überzeugt, die Forderung von Jesus verstanden zu haben und sie jetzt
zu erfüllen.
Aber Gott hatte ein anderes Verständnis von Nachfolge:
breit gefächert und
nicht auf ein Leben in Askese beschränkt:
„Es
sind verschiedene Gaben: aber es ist ein
Geist. Es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr. Und es sind
verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da bewirkt alles in
allen.“
(1 Korinther 12,4-6)
Und Gott
ist derjenige, der
entscheidet, wann er wen
und wie braucht. Er ist
es, der die Ämter je nach Fähigkeit und
Notwendigkeit verteilt.
Das
musste auch Martin Luther erfahren: Gott holte ihn aus dem Kloster
wieder heraus und stellte
ihn ins normale Alltagsleben zurück. Er führte
ihm auch wieder eine Familie zu, weil
er sah, dass der Reformator auf seinem schweren Weg der Nachfolge
eine Stütze brauchte.
Diese neue Familie, die
er mit Katharina von Bora gründete, gab Martin
Luther den
Halt, den
er für seine aufreibende Reformarbeit benötigte.
Luthers
großes Vorbild, der Apostel Paulus, dagegen blieb Junggeselle auch
als christlicher Missionar. Gott war der Auffassung, dass dieser
keine Gefährtin brauche, sondern seine Aufgabe im Dienste des
Evangeliums ohne Partnerin bestens bewältigen könne. Offenbar war die
Forderung Jesu, die Familie zu verlassen, um ihm nachzufolgen, keine
absolute Voraussetzung, wenn man sich in den Dienst Jesu stellen
wollte.
Es war von ihm so gemeint, dass jeder Christ bereit sein
muss, für jene Aufgabe, die Gott für ihn ausgewählt hat, alles
zurückzulassen, je nach Bedarf: „Einer
sprach zu Jesus: Herr, ich will dir nachfolgen; aber erlaube mir
zuvor, dass ich Abschied nehme von denen, die in meinem Haus sind.
Jesus aber antwortete ihm: Wer seine Hand an den Pflug legt und sieht
zurück, der ist nicht geschickt für das Reich Gottes.“ (Lukas
9,61.62) Der Mensch bringt die
vorbehaltlose
Bereitschaft
ein - und Gott entscheidet
über die Art und Weise.
Damit
die christliche Gemeinschaft funktionieren kann, braucht es eine
solidarische
Aufgabenverteilung, die sich an den Fähigkeiten von
jedem
einzelnen orientiert. Niemand
ist überflüssig oder zu unbedeutend:
„Das
Auge kann nicht sagen zu der Hand: Ich brauche dich nicht; oder auch
das Haupt zu den Füßen: Ich brauche euch nicht. Vielmehr sind die
Glieder des Leibes, die uns die schwächsten zu sein scheinen, die
nötigsten.“ (1
Korinther
12,21.22)
Es ist
Gott, und nur er allein,
der
am besten weiß,
wem er welche Aufgaben anvertrauen kann. Keiner
ist für Gott
wichtiger als der
andere, deshalb darf es in der Kirche auch keine Hierarchie und
keine Überheblichkeit
geben, „damit
im Leib keine Spaltung sei, sondern
die
Glieder in gleicher Weise füreinander sorgen.“ (1
Korinther
12,25)
Nicht
nur die christliche Lebensweise unterliegt dem Wandel der Zeit,
sondern auch die Vorstellungen von der Nachfolge Jesu. Viele Christen
in unserer Zeit sehen im Rückblick Vorgangsweisen in der
Kirchengeschichte – zu Recht – sehr kritisch und sind froh, sie
überwunden zu haben. Es gibt heute keine Inquisition und keine
brennenden Scheiterhaufen mehr, und das ist ein Sieg für das
Evangelium, das Jesus einst verkündet hat. Aber genauso verurteilen
wir heute die Anwendung von Waffengewalt im Namen des Glaubens. Karl
der Große hat die Sachsen mit dem Schwert bekehrt und nicht mit der Predigt. Dabei steht außer Frage, dass der bedeutende Kaiser des
Heiligen Römischen Reiches persönlich ein sehr frommer Mann war,
dem die Verbreitung der christlichen Lehre eine Herzensangelegenheit
war.
Ebenso
wie dem schwedischen König Gustav II. Adolf, der als Feldherr im
Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) große Berühmtheit erlangte. Er
war ein tief gläubiger Lutheraner, der auf frommes Leben in seinem
Heerlager absoluten Wert legte. Pfarrer sorgten dafür, dass 2x am
Tag alle Soldaten beteten und keine Schlacht ohne gemeinsames Gebet
begonnen wurde. An jedem Sonntag fand ein gemeinsamer Gottesdienst im
Feld statt. Selbstverständlich war das Fluchen verboten. Einen
Widerspruch zur Anwendung von Waffengewalt, um den rechten Glauben
durchzusetzen, sah König Gustav II. Adolf nicht. Und er unterschied
sich darin nicht von den anderen christlichen Herrschern seiner Zeit,
egal ob sie Protestanten oder Katholiken waren. Sie alle sahen es als
legitimes Mittel zur Durchsetzung des rechten Bekenntnisses an, einen
Religionskrieg zu führen.
Am
16. November 1632 fiel Gustav II. Adolf in der Schlacht von Lützen.
Aber zuvor hatte er im selben Jahr noch Zeit, in der estnischen Stadt
Dorpat (dem heutigen Tartu), die damals zu seinem Herrschaftsgebiet
gehörte, eine Universität zu gründen. Sie besteht heute noch und
ist die wichtigste Hochschule des baltischen Landes. Zum Dank wurde
dem König auf der Rückseite des Gebäudes ein Denkmal errichtet.
Die
Nachfolge Jesu hat viele Gesichter. Gustav II. Adolf und ich:
gemeinsam ist uns unser unerschütterlicher Glaube an unseren
gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus – aber wir
haben ein völlig unterschiedliches Verständnis vom Verbreiten des
Glaubens. Er mit dem Schwert und ich mit dem Wort.
„Wir
alle aber sind der Leib Christi und jeder von uns ein Glied.“ (1
Korinther 12,27)
Ein wundervoller und zum Denken anregender Blogbeitrag! Ich finde es sehr schön, wie darüber geschrieben wird, was es bedeutet den Weg Gottes einzuschlagen, mit dem Wissen, dass es der richtige ist, auf den Gott uns schickt.
AntwortenLöschen