Ehrfurcht
vor Gott
Heiligkeit erfordert eine ehrfurchtsvolle Anrufung des allmächtigen göttlichen Wesens. Um ihren Gottheiten Ehrfurcht zu bezeigen und sie gnädig zu stimmen, machten ihnen die Menschen in der alten Zeit Geschenke in Form von Opfergaben. Dies war ein wesentliches Glaubenselement aller Religionen in der Antike, das aber in der Praxis unterschiedlich ausgeführt wurde. Die Gemeinsamkeit bestand darin, dass die Opferungen auf einem Altar dargebracht wurden. Diese Aufgabe fiel Priestern oder Priesterinnen zu, die sie im Rahmen einer rituellen Zeremonie für Einzelpersonen, für eine Gruppe oder weil ihre Religion regelmäßige Kulthandlungen erforderte, durchführten.
Auch die Religion der Israeliten kannte die Kulthandlung der Opferung auf einem Altar. Das Alte Testament berichtet in den Geschichtsbüchern, wie sich aus einfachen Steinen der Nomadenzeit die kultisch streng geregelten Opferaltäre im Jerusalemer Tempel entwickelten. Die Absicht blieb stets die gleiche: man wollte dem allmächtigen Gott Ehrfurcht erweisen.
Die erste Opferung, von der in der Bibel berichtet wird, ist die von Kain und Abel: „Es begab sich nach etlicher Zeit, dass Kain dem Herrn Opfer brachte von den Früchten des Feldes. Und auch Abel brachte von den Erstlingen seiner Herde und von ihrem Fett.“ (1 Mose 4,3.4a) Die Brüder wollten sich bei Gott für gute Erträge bedanken. Bekanntlich ging die Aktion gründlich schief: „Und der Herr sah gnädig an Abel und sein Opfer, aber Kain und sein Opfer sah er nicht gnädig an.“ (1 Mose 4,4b.5a)
Diese erste Geschichte einer Opferung zeigt bereits, worauf es Gott ankommt, nämlich auf die Gesinnung und nicht die Art des Opfers. Denn wie in den Gesetzestexten nachzulesen ist, kannten die Israeliten nicht nur Tieropfer: „Nun bringe ich die Erstlinge der Früchte des Landes, die du Herr, mir gegeben hast. - Und du sollst sie niederlegen vor dem Herrn, deinem Gott, und anbeten den Herrn, deinen Gott.“ (5 Mose 26,10) Dass Abel ein Schaf opferte und Kain Feldfrüchte, konnte also nicht der Grund dafür sein, dass Gott dem älteren Bruder zürnte.
Nicht bei allen Opferungen geht klar hervor, welchen tieferen Sinn sie haben. Nach dem Auftrag Gottes in ein neues Land zu ziehen, weg von seiner Familie in Haran, errichtete Abraham in Kanaan Altäre, um Gott anzubeten. Was er opferte, wird nicht gesagt. Als Nomade zog Abraham durch seine neue Heimat, und wo er anhielt, errichtete er einen Altar, zuerst in Sichem, dann in Bethel „und rief den Namen des Herrn an.“ (1 Mose 12,8b) Jakob folgte dem Beispiel seines Großvaters und baute ebenfalls Altäre dort, wo er sich niederließ. In der Nähe von Sichem kaufte er sogar Land um 100 Goldstücke und „errichtete dort einen Altar und nannte ihn ‚Gott ist der Gott Israels‘.“ (1 Mose 33,20)
Das änderte sich mit der Errichtung der Stiftshütte, die die Israeliten auf ihrem Zug durch die Wüste Sinai zur Verehrung Gottes aufbauten. Sie bestand aus mehreren Räumen mit unterschiedlichen kultischen Bedeutungen. Nach diesem Vorbild wird König Salomo später den Tempel auf dem Berg Zion errichten. Es gab 2 Altäre: im Vorhof stand der Brandopfer-Altar („eherner Altar“), auf dem die Tiere getötet und ihr Fleisch und Fett verbrannt wurden; im anschließenden Heiligtum stand der Räucheropfer-Altar, von dem duftender Rauch aufstieg.
Durch seinen Opfertod am Kreuz hat Jesus eine neue Frömmigkeit begründet, die allein auf Gesinnung und Glaube aufbaut und keine materiellen Gaben an Gott benötigt: „So lasst uns nun durch ihn Gott allezeit das Lobopfer darbringen, das ist die Frucht der Lippen, die seinen Namen bekennen. Gutes zu tun und mit anderen zu teilen, vergesst nicht; denn solche Opfer gefallen Gott!“ (Hebräerbrief 13,15.16) Jesus Christus hat durch sein Blutopfer am Kreuz stellvertretend für die Sünder, die wir Menschen sind, weitere Opfer überflüssig gemacht: „Und lebt in der Liebe, wie auch Christus uns geliebt hat und hat sich selbst für uns gegeben als Gabe und Opfer, Gott zu einem lieblichen Geruch.“ (Epheserbrief 5,2) Durch welches Opfer könnte man den Tod Jesu am Kreuz übertreffen?
Durch keines: „Er ist die Versöhnung für unsere Sünden, nicht allein aber für die unseren, sondern auch für die der ganzen Welt.“ (1 Johannesbrief 2,2) Der Messias, der Sohn Gottes, hat sich selbst als Opfer dargebracht: „Nach Gottes Willen sind wir angenommen ein für allemal durch das Opfer des Leibes Jesu Christi.“ (Hebräerbrief 10,10) Mit dieser einzigartigen Tat in der Geschichte der Religionen war der Weg frei gemacht für eine Ehrfurcht vor Gott, die ohne Vorleistung durch Altar-Opferungen die göttliche Vergebung ermöglicht: „Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen. Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt hat seinen Sohn zur Versöhnung für unsere Sünden.“ (1 Johannesbrief 4,9.10)
Aber noch einmal sollte das junge Christentum große Probleme mit Götter-Opfern bekommen. Der christliche Glaube breitete sich zur Glanzzeit des Römischen Reiches hoffnungsvoll aus. Das Imperium stand mächtig und wohlhabend da und sah in der kleinen christlichen Gemeinde keine Bedrohung. Aber im 3. Jahrhundert verschlechterte sich die politische Lage dramatisch und wurde instabil. Kaiser Decius machte als einen der Gründe für diesen Niedergang aus, dass die römische Bevölkerung ihren Göttern untreu geworden war. Um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten, erließ Decius 251 n. Chr. ein „Opferedikt“: jeder Bewohner des Reiches musste 1x im Jahr einem vergöttlichten Kaiser ein Opfer am Altar darbringen und sich als Beweis eine schriftliche Bestätigung ausstellen lassen. Eine Verweigerung wurde streng bestraft, meistens mit der Hinrichtung. Das Opferedikt des Decius führte zu einer in erster Linie gegen die Christen gerichtete Verfolgung, denn ihr Glaube an den einzigen Gott verbot es ihnen, anderen Gottheiten die Ehre am Altar zu erweisen: „Wer den Göttern opfert und nicht dem Herrn allein, der soll dem Bann verfallen.“ (2 Mose 22,19)
Kaiser Decius stellte mit seinem Edikt die junge Kirche auf eine harte Probe. Obwohl viele Christen aus Todesangst die geforderte Opferung durchführten, zeigte sich letztendlich der Glaube an Jesus Christus als so tragfähig, dass er sich allen Bedrohungen zum Trotz weiter ausbreitete. Der Aufruf des Apostels Paulus rund 200 Jahre früher hatte in der Bedrängnis geholfen: „Wachet, steht im Glauben, seid mutig und seid stark! Alle eure Dinge lasst in der Liebe geschehen.“ (1 Korintherbrief 16,13.14) Die Zeit der Götter-Opfer im Römischen Reich war abgelaufen, als Kaiser Theodosius I. das Christentum im Jahre 381 zur Staatsreligion erhob. Die Tempel mit ihren Altären wurden für immer geschlossen.
Ein sehr informativer und spannender Beitrag! :)
AntwortenLöschen