Sonntag, 23. August 2020


Das Gesicht des Bösen

Schlangen sind wunderschöne, elegante Tiere - und trotzdem gibt es kaum eine Spezies, die den Menschen mehr Angst und Abscheu einflößt. 

Im Alten Testament werden sie sogar zum Symbol des Bösen erklärt. Wie konnte es dazu kommen? Schuld daran ist die Sündenfallgeschichte im 3. Kapitel des 1. Buches Mose. Jeder kennt sie. Gott hatte den Menschen ein Paradies als unbegrenzten Lebensraum geschenkt, aber mit einer kleinen Einschränkung: „Du darfst essen von allen Bäumen im Garten, aber von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen sollst du nicht essen; denn an dem Tag, da du von ihm issest, musst du des Todes sterben.“ (1 Mose 2,16.17) Es kam, wie es kommen musste! Der Mann und die Frau konnten mit dem Geschenk des freien Willens nicht umgehen, die Versuchung ließ sie nicht ruhen. Letztendlich waren die Früchte des verbotenen Baumes so verlockend, dass die beiden Menschen entgegen dem Verbot Gottes davon aßen. Und eh klar, sie wurden erwischt.

Die (meisten) Menschen neigen dazu, sich herauszureden, wenn sie etwas angestellt haben und dafür zur Verantwortung gezogen werden. So reagierten auch der Mann und die Frau im Paradies. Er schob die Schuld auf sie, und sie verwies auf die Verführungskünste der Schlange, offenbar ein günstiges Opfer zum Beschuldigen: Aber die Schlange war listiger als alle Tiere auf dem Felde, die Gott der Herr gemacht hatte.“ (1 Mose 3,1a) Genützt hat das feige Herausreden den Menschen nichts, sie wurden für ihren Ungehorsam bestraft. Zu Recht, sie hätten „nein“ sagen können.

Auch die Schlange kam nicht ungeschoren davon: „Auf deinem Bauche sollst du kriechen und Erde fressen dein Leben lang. Und ich will Feindschaft setzen zwischen dir und dem Weibe und zwischen deinem Nachkommen und ihrem Nachkommen; der soll dir den Kopf zertreten, und du wirst ihn in die Ferse stechen.“ (1 Mose 3,14b.15) Und in ihrer kriechenden Lebensweise sind auch Angst und Abneigung der Menschen gegen Schlangen begründet: man sieht sie zu spät und dann beißen sie zu.

Die Sündenfallgeschichte gibt uns einen Einblick in die schwierigen Lebensbedingungen der Bauern im antiken Orient. Sie ist Teil des zweiten Schöpfungsberichts (der erste ist jener mit den 6 bzw. 7 Tagen), der vor circa 3000 Jahren geschrieben wurde. Wir lernen darin das bäuerliche Weltbild um 1000 v. Chr. kennen.

Die Schlange war der größte Feind des orientalischen Bauern, weil sie durch lautloses Kriechen unbemerkt herankommen oder durch farbliche Übereinstimmung mit der Erde am Acker nicht früh genug gesehen werden kann und dadurch eine tödliche Gefahr darstellt. Die Bestrafung, die Gott über die Schlange verhängt, macht deutlich, warum sich die Menschen vor diesem Reptil besonders fürchten. 

Sie empfinden sie als heimtückisch und schlau, weil sie sich dem Bauern als überlegen erweist. Der Mensch unterstellt der Schlange, dass sie mutwillig aus dem Hinterhalt zuschlägt – dabei greift sie in Wirklichkeit nur aus Notwehr an. Und von böse kann gar keine Rede sein, denn wenn der Bauer ihr nicht zu nahe kommt und sie sich nicht bedroht fühlt, tut sie ihm auch nichts. Aber da sie beide den gleichen natürlichen Raum beanspruchen – der Bauer das Feld zum Beackern, die Schlange zum Leben und zur Nahrungssuche – kommen sie sich unweigerlich in die Quere und sind notgedrungen Gegner. Böse ist deshalb die Schlange aber nicht.

Eine Veränderung der Sichtweise finden wir bei Jesus. In seinen Gleichnissen nehmen die Beispiele aus dem bäuerlichen Leben einen breiten Raum ein. Schließlich ist die Mehrheit seiner Zuhörer in der Landwirtschaft tätig. Aber in den Vergleichsbildern mit Schlangen werden diese von Jesus nicht mehr negativ dargestellt. Er rückt das Bild der „bösen“ Schlange zurecht und befreit sie vom Makel des Bösen. Anerkennend lobt er ihre Intelligenz: „Siehe, ich sende euch wie Schafe mitten unter die Wölfe. Darum seid klug wie die Schlangen und lauter wie die Tauben.“ (Matthäus 10,16)

Wir lernen von Jesus, dass es keine bösen Tiere gibt. Deshalb ist eindeutig, dass Tierquälerei eine Sünde ist, für die sich jeder, der sie begeht, beim Jüngsten Gericht vor Gott rechtfertigen muss. Besonders jene, die ihre Profitgier mit Hilfe von Tierleid befriedigen, werden in Erklärungsnotstand kommen. So wie Adam und Eva, die zuerst aus Gier das Verbot Gottes missachtet haben und dann durch ihre Schuldzuweisung an die Schlange bereit waren, deren alleinige Bestrafung zu erreichen. Es war ihnen egal, was mit dem Reptil passiert, Hauptsache sie selbst kämen mit heiler Haut davon. Aber dem war bekanntlich nicht so. Die beiden Menschen mussten für ihre Schuld einstehen.

Durch die Sündenfallgeschichte wird deutlich, dass man mit fadenscheinigen Ausreden bei Gott nicht durchkommt. Und Tiere als Sündenböcke für den Egoismus der Menschen büßen zu lassen, ist für Gott ein Frevel, den er nicht als Kavaliersdelikt abtun wird. Jeder Mensch sollte es sich also gut überlegen, ob es ihm die paar Euro Ersparnis wert ist, dass Tiere dafür unter brutalen Bedingungen gehalten und getötet werden. 

Die Tiere werden kein Problem haben, das ewige Leben ohne Leid im Paradies zu erlangen, auch die Schlange nicht. Und dort werden sie den Frieden finden, den gierige Menschen ihnen auf Erden verweigern: „Kühe und Bären werden zusammen weiden und ihre Jungen beieinander liegen, und Löwen werden Stroh fressen wie die Rinder. Und ein Säugling wird spielen am Loch der Otter, und ein entwöhntes Kind wird seine Hand stecken in die Höhle der Natter.“ (Jesaja 11,7.8)

Es gibt keine bösen Tiere, aber es gibt böse Menschen. Und sie haben kein Gesicht, an dem man ihren dunklen Charakter erkennen kann. Aber er tritt dann in Erscheinung, wenn man sieht, wie Menschen mit den Schwächsten in der Gesellschaft, zu denen auch die Tiere gehören, umgehen.

1 Kommentar:

  1. Ich finde deinen Beitrag sehr wertvoll, denn es ist wahr- alle Tiere sind gut. Die Menschen sollten die Tiere viel mehr wertschätzen und respektieren! Es darf kein Tier unter der Hand eines Menschen leiden...

    AntwortenLöschen